
Eine schwere Krankheit und von einem auf den anderen Tag kann man nicht mehr arbeiten. Der Partner stirbt unvermittelt und die Ratenzahlung für das Traumhaus gerät zum Albtraum. Schicksalsschläge wie diese sind die häufigste Ursache, warum Menschen ihre finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können und in die Überschuldung abrutschen. Das hat Folgen, nicht nur für das Privatleben, sondern auch für den Arbeitgeber. In der ersten Aufgabe unseres neuen Veranstaltungsformats hat Matthias Wenzel, Leiter der Schuldnerberatung bei der Caritas Hannover, unseren Unternehmerinnen und Unternehmern Tipps gegeben, wie man Mitarbeiter in finanzieller Not unterstützen kann.
Denn statistisch gesehen, ist jeder achte Erwachsene in Deutschland überschuldet; heißt: Das Einkommen reicht nicht aus, um die finanziellen Forderungen zu erfüllen. Jährlich gibt es rund 70.000 Privatinsolvenzen, der Schuldenstand liegt im Schnitt bei 30.000 Euro. "Überschuldung ist ein gesellschaftliches Massenphänomen", sagt Wenzel. "Es redet nur kaum jemand darüber." Denn das Thema ist sehr schambehaftet. Und Arbeitgeber erfahren häufig erst von der Überschuldung eines Mitarbeiters, wenn das Schreiben zur Lohnpfändung in die Firma flattert oder der Gerichtsvollzieher anruft.
Überschuldete Mitarbeiter sind ein Risiko
Doch Mitarbeiter in finanziellen Nöten können eine Belastung für die Firma sein. "Wenn zum Beispiel ein Kranführer, der täglich tonnenschwere Bauteile von A nach B hieven muss, in Gedanken seinen Schuldenberg wälzt, entsteht ein enormes Sicherheitsrisiko", sagt Wenzel. Wer Schulden hat, leidet darunter, ist häufiger krank und fällt in seiner Leistung ab. Außerdem entsteht ein Arbeitsaufwand für die Lohnbuchhaltung, wenn Teile des Gehalts an einen Drittschuldner überwiesen werden müssen.
Können Arbeitgeber frühzeitig erkennen, wenn jemand in der Belegschaft überschuldet ist? "Da die Betroffenen in der Regel sehr lange über ihre Schulden schweigen, ist es schwierig. Aber es gibt ein paar Anzeichen", sagt Wenzel. Zum Beispiel, wenn der Mitarbeiter häufig fehlt, antriebslos ist oder sich plötzlich zurückzieht und kaum noch an Unternehmungen wie einem Bier nach Feierabend teilnimmt. "Redet er oder sie auffällig oft über Geld, kann das ebenso ein Alarmsignal sein, wie wenn derjenige sich häufig von Kollegen Geld leiht. Und Bitten nach einem Gehaltsvorschuss sind ein sehr deutliches Zeichen, das finanziell etwas nicht stimmt."
Unterstützung statt Vorwürfe
Was können Arbeitgeber tun, wenn sie einen überschuldeten Mitarbeiter in ihren Reihen haben? "Ganz wichtig: auf Schuldzuweisungen verzichten", sagt Wenzel. Stattdessen die Tatsachen akzeptieren und Unterstützung anbieten, zum Beispiel durch Vermittlung von internen und externen Angeboten wie eine Schuldnerberatung." Angebote für eine kostenlose Schuldnerberatung gibt es unter anderem bei der Caritas, der Awo, der Diakonie und den Kommunen. "Auch ein Arbeitgeberdarlehen kann eine Option sein, wenn der Mitarbeiter vertrauenswürdig ist und man ihn gern halten möchte", sagt Wenzel.